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  • AutorenbildMaria Brader

Von Kreuzfahrerburgen, umayyadischen Palästen, Drusen und Kabbalisten



Obwohl das Studienjahr für uns schon fast zu Ende geht, durften wir uns noch einmal über Besuch freuen: Sechs Studierende der Islamischen Theologie haben uns drei Wochen besucht und im Rahmen der Muslimisch-Christlichen Werkwochen gemeinsam mit uns studiert und gelebt. Höhepunkt dieser drei Wochen waren sicherlich unsere gemeinsame Exkursion nach Galiläa, bei der wir den Kreuzfahrern und den Ayyubiden auf die Spur gegangen sind. Wissenschaftlich geleitet wurde die Exkursion von Dr. Georg Röwekamp, der selbst in Galiläa lebt und die Gegend kennt wie fast kein anderer.


Unser erster Weg führt uns in den Hisham-Palast nach Jericho, der bekannt ist für das Mosaik des „Baums des Lebens“. Der Palast wurde im 8. Jahrhundert unter der Herrschaft des Kalifen Hischam gebaut und beeindruckt vor allem durch seine riesige Empfangshalle – geziert durch sicherlich hunderttausende Mosaiksteine.










Auch auf dieser Exkursion geht unsere Studienleitung sicher, dass wir nicht zu wenig Bewegung bekommen – und so keuchen wir hinter ihr her auf die Hörner von Hattin, wo die Kreuzfahrer 1187 Saladin und seinen Truppen unterlagen. So verloren sie große Teile der Kreuzfahrerstaaten – und damit auch das Königreich Jerusalem.





Aktuell ist wohl wirklich die schönste Zeit, um hier im Land zu sein. Alles ist noch grün vom Regen des Winters, und gleichzeitig ist es schon nicht mehr so kalt. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie unbarmherzig die Sonne auf die im Juli 1187 hier kämpfenden Armeen niedergebrannt haben muss. Die raue und schroffe Landschaft bietet noch dazu ein schwieriges Terrain. So sind wir zwar voller Abenteuerlust in Hinblick auf unsere Exkursion, aber gleichzeitig auch etwas betroffen von den lebendigen Schilderungen der Geschehnisse hier.







Wieviele Theologiestudierende braucht es, um eine Brücke zu bauen?

Gott sei Dank hatten wir P. Bernhard von St. Anselmo dabei, der uns sowohl geistliche als auch ingenieurtechnische Stütze bei der Überquerung dieses besonders breiten „Burggrabens“ war.





Zum Abschluss dieser Wanderung sind wir auf Besuch bei den Drusen, die hier im Norden des Landes in 18 Dörfern verteilt leben, und hier eines ihrer wichtigsten Heiligtümer haben: Das Grab des Propheten Schueb. Leider finden sie unsere dreckigen Schuhe nicht gerade toll und erklären uns auch, dass sie das Grab mit speziellen Narzissen parfümieren – haben sie uns „durch die Blume“ gesagt, dass wir stinken? Möglich. Möglicherweise liegen sie damit auch nicht so falsch. So müssen wir den Besuch beim Grab des Propheten Schueb auf ein andermal verschieben.



Am nächsten Morgen besuchen wir Khirbat al-Minya, das quasi im Vorgarten des Pilgerhauses in Tabgha liegt – bekanntes Terrain also. Der Umayyaden-Palast wurde hier im 8. Jahrhundert errichtet und beeindruckt uns vor allem mit den archäologischen Überresten der Zuckerrohrverabeitung und einer Mosaikwerkstätte.




Auch am nächsten Tag steht eine Wanderung am Programm. Ein schmaler Pfad durch Wälder und entlang schöner Felsformationen führt uns zur Kreuzfahrerburg Montfort, nur wenig südlich der libanesischen Grenze. Beim Aufstieg packt uns die Kletterwut und wir erklimmen steile Abhänge, die uns einen wunderschönen Ausblick auf das Tal bieten – hier kann man sich fast heimisch fühlen: Es würde nur ein Fluss fehlen, der sich durch das Tal schlängelt, und schon könnte man sich vorstellen, in Österreich zu sein.









Auch bei der Burg angekommen lässt uns unsere Kletterlust nicht los – wobei die Studienleitung ihre liebe Mühe hat, uns daran zu erinnern, dass wir hier sind, um zu lernen. Manchmal sind einfach andere Dinge wichtiger – die Sonne genießen, den Wind in den Haaren spüren, und den sich bald trennenden Weg mit besonders viel Freude und Lachen füllen.






Der letzte Tag unserer Exkursion führt uns in zwei Städte: Safed, Stadt der jüdischen Mystik und Akko, wo wir Moschee und Kreuzfahrergebäude besichtigen.

In Safed besuchen wir Kreuzfahrerburg und Synagogen und erkundeten schließlich die Stadt auf eigene Faust. Wir streifen durch das Künstlerviertel und wundern uns über manche Kunstwerke in der jüdischen Kerzenwerkstatt.

Akko begeistert uns mit wunderschönen Bahai-Gärten, riesigen Johanniterbauten, der Al-Jazzar-Moschee, und natürlich dem fantastischen Blick aufs Meer.

Die Bahai sind eine monotheistische, universale Religion, die weltweit verbreitet ist und hier im Land ihr Hauptheiligtum haben. Zwei junge Bahai, die hier einen Volontariatsdienst machen, erzählen uns von Baha’u’llah, ihrem Religionsstifter, der hier begraben ist. Ganz still ist es im Grab – nur 15 Besucher*innen dürfen hier zur selben Zeit sein. Das Gebäude ist mit Teppichen für das Gebet ausgelegt, die Teppiche zieren auch die Wände. Gleichzeitig ist in dem Haus eine wunderschöne Grünanlage. Der besondere Sinn der Ästhetik, den die Bahai in ihren Bauten und Gärten beweisen, zeichnet sich durch eine besondere Atmosphäre der Ruhe und gleichzeitig der Lebendigkeit aus.








In der Altstadt von Akko besuchen wir gemeinsam mit den muslimischen Studierenden die Al-Jazzar-Moschee. Es ist eine wunderbare Gelegenheit, diesen Ort gemeinsam kennenzulernen und gleich noch Fragen zu stellen – so entstehen viele gute Gespräche und neue Denkwege.








Die Mittagspause nutzen wir, um die Stadt noch etwas zu erkunden. Gemeinsam mit einer Kommilitonin suchen wir den Imbiss mit dem „besten Hummus der Welt“ und schließlich finden wir noch ein ulkiges Cafe, das gleichzeitig als Wohnhaus für den von Kippa bis Fuß in Hawaiimuster gekleideten Kaffeebesitzer dient. Die Deko besteht aus Dingen, die wohl ihren Weg in den Müll und wieder aus dem Müll heraus gefunden haben – jetzt teils in bunten Farben lackiert. Abgerundet wird das ganze durch einen Spiderman- und zwei Affenplüschis, die von der Decke baumeln und einer mumifizierten Schildkröte Gesellschaft leisten. Der Kaffeebesitzer serviert uns wortlos arabischen Kaffee und setzt sich selbst kaffeetrinkend an das andere Ende des leeren Raumes. Nach einer Weile kommt er und bringt uns eine Süßspeise, die man nur als mit Wasser angerührten Erdbeerpudding mit Kokosflocken beschreiben kann. Wir freuen uns über die freundliche Geste, doch wir schaffen nicht einmal zu zweit das ganze Stück. So lehnen wir uns zurück und genießen die spanische Musik und freuen uns über unsere seltsame Entdeckung.










Wir finden uns noch ein letztes Mal zusammen, um uns von Georg Röwekamp zu verabschieden. Er teilt noch einen Text mit uns, der uns als Abschluss der muslimisch-christlichen Werkwochen berührt oder zumindest zum Denken anregt: „Ich halte mich fest an Gott,

dem Einen und Einzigen,

dem Allmächtigen und Allerbarmer,

dem verborgenen mit den mit den vielen Namen.

Der unsere Wirklichkeit geschaffen

und uns ins Leben gerufen hat.

Der Menschen als seine Zeugen erwählt

wie Noah, Abraham und Mose,

und durch Propheten gesprochen hat,

wie durch Jesus, den Sohn der Mirjam,

und Mohammed als seine Gesandten.

Der alle seine Erwählten erhöht

und die wahrhaft Glaubenden annimmt.

Der uns allen seinen Geist schenkt,

damit wir weiter auf ihn hoffen,

bis er kommt und die Welt richtet

und uns alle und alles mit sich vereint.“


(Manfred Görg)



Diese Gedanken begleiten uns auf der Busfahrt zurück nach Jerusalem – Jerusalem, das mittlerweile wirklich ein Stück „Zuhause“ geworden ist.





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