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AutorenbildMaria Brader

Auf der anderen Seite des Jordan

Aktualisiert: 15. Feb. 2023



Unsere Exkursion nach Jordanien gemeinsam mit Archäologie-Studierenden der Bethlehem Universität (06.02.-12.02)


Tag 1

Die andere Seite des Jordan – Gegenstand vieler biblischer Erzählungen, Niemandsland, Gebiet jenseits des gelobten Landes. Auch ein unglaublich heißes Land, so dachte ich. Doch als wir ankamen, haben wir primär mal gefroren und uns vor dem Regen in ein Museum geflüchtet. So starteten wir den ersten Tag unserer Jordanienexkursion im Jordan National Museum.

Das Jordan National Museum begrüßte uns mit einem „Best of“ dessen, was Jordanien geschichtlich und archäologisch zu bieten hat: Zweiköpfige Statuen, Kopien der Mescha-Stele und der Bileam-Stele - das Theolog*innen-Herz schlägt höher -, eine etwas fragwürdige Schautafel zur Entwicklung der semitischen Sprachen, nabatäische Skulpturen, Alltagsgegenstände und Umhänge, jede Menge Öllampen aus den unterschiedlichsten Epochen und schließlich – mein persönlicher Favourite – ein Tonkamel.



(Eine zweiköpfige Statue aus Ain Ghazal, neolithische Zeit, vermutlich kultische Funktion)


(Eine Kopie der Mescha-Stele: Die Mescha-Stele spricht in moabitischer Sprache erstmals von dem Königreich Israel unter der Herrschaft der Omriden)



(Die Bileam-Stele ist ein außerbiblischer Text, der die Figur eines Propheten Bileam erwähnt, wie er auch in Numeri und Josua biblisch erwähnt wird. So ist Bileam der einzige biblische Prophet, bzw. die einzige Prophetenfigur, zu der es außerbiblische Quellen gibt.)



(Mein Highlight: Ein schwer beladenes Tonkamel)


Tag 2

„Es könnte schlimmer sein, zumindest regnet es nicht.“ Zwei Minuten später laufen wir auf der Zitadelle, die die römische Stadt Philadelphia, heute Amman überblickte, durch den Hagel. Vom Wetter etwas ausgebremst, lassen wir die sonst beeindruckenden Ruinen aus römischer, byzantinischer und muslimischer Zeit links liegen und flüchten uns so schnell wie möglich in das Archäologische Museum Ammans. Das Museum besteht nur aus drei Räumen, und trotzdem beherbergt es eine Menge spannender Funde unterschiedlicher Ausgrabungsorte. Neben den Präsentationen, die die Studierenden vorbereitet hatten, fanden wir auch den ein oder anderen humorvollen (aber auf jeden Fall hochpädagogischen) Zugang zu den Ausstellungsobjekten.



(Lernen durch Nachahmung)



(Brrrr... kalt wars)


Und weiter geht’s nach Madaba – wir hätten aber genauso gut schwimmen gehen können, denn es regnet in Strömen. Doch wir sind hier, um uns eine Kirche anzusehen, genauer gesagt ein sehr berühmtes Mosaik in einer weniger berühmten Kirche: Die Madaba-Karte, die mit einer Datierung Mitte des 6. Jahrhunderts eine der ältesten kartographischen Darstellungen des Hl. Landes ist. So wird sie einerseits zum (mal mehr, mal weniger wissenschaftlichen) Lokalisieren heiliger Stätten herangezogen, und andererseits verrät sie das ein oder andere Detail, das in Korrelation mit archäologischen Erkenntnissen zu wichtigen Erkenntnissen führen kann (so etwa im Fall der Nea Maria-Kirche in Jerusalem).



(Die griechisch-orthodoxe Kirche wird auch heute noch für den Gottesdienst genutzt.)


Das Highlight des Tages, allerdings, ist die letzte Station: Der Berg Nebo. Hier soll, laut biblischer und Pilgertradition, Moses noch das gelobte Land erblickt haben und schließlich in hohem Alter verstorben sein, bevor er das besagte Land jemals erreichte. Und Tatsache – die Landschaft, die sich vor uns ausbreitet, ist mehr als beeindruckend: Das Jordantal, das Tote Meer, bis nach Qumran und darüber hinaus.



(Der Ausblick ins Jordantal)



(Dieses Kreuz erinnert an die eherne Schlange, die Mose aufstellte, um das Volk von giftigen Schlangenbissen zu heilen (Num 21).)


In der Kirche führen uns zwei Studis und zeigen uns die Mosaike, die hier in mehreren Schichten aufeinanderlagen und heute restauriert an den Wänden hängen.





Tag 3+4

Auf nach Petra!

Wer an Jordanien denkt, der denkt bestimmt erst an Petra, die als Hauptstadt der Nabatäer*innen gilt. Die Nabatäer*innen waren ein Verbund antiker Nomadenstämme, die mit Karawanenhandel reich wurden und schlussendlich ihr eigenes Königreich verwalteten, bis sie erst ein Klientelkönigreich der Römer waren, und schlussendlich in die römische Provinz eingegliedert wurden.

Wir hatten uns schon im Herbst bei einem Referat mit den Nabatäer*innen beschäftigt, und konnten uns so schon mit den unterschiedlichen kulturellen Einflüssen aus dem umliegenden Raum auseinandersetzen: Griechisch, syrisch, ägyptisch und römisch.

In Petra wurde diese Theorie auf einmal lebendig. In einem wunderbaren Museum konnten auf den Spuren der Nabatäer*innen durch das Wadi Rum schreiten, ihre Gottheiten kennenlernen, und versuchen, so viel wie möglich des nabatäischen Alltagslebens zu rekonstruieren.



(Ein Betyl, d.h. ein Götterbild der Nabatäer*innen. Die Inschrift lautet: "Göttin des Hayyan". Hier ist vermutlich die Göttin Al'Uzza dargestellt.)



(2000 Jahre alte Fingerabdrücke eines Arbeiters)



(An dieser Götterdarstellung erkennt man den Einfluss unterschiedlicher Kulturen: Statt den nabatäischen Betylen, die nur abstrakte Züge tragen, ist dieser Kopf deutlich menschlich, so der griechische Einfluss, mit einer eher syrischen Haartracht. )



(Und wieder ein kleines Tontier: Dieser Igel diente als Gefäß bei der Libation.)


War das Museum schon beeindruckend, so war Petra selbst umwerfend. Der Eingang zu den wichtigsten Gebäuden in Petra ist eine kilometerlange Schlucht, die als Prozessionsweg diente. Zu Beginn konnte man noch den Ansatz eines Bogens und mehrerer Nischen erahnen, die den*die Besucher*in grüßten. Dann wurde die Schlucht tiefer, links und rechts erhoben sie die Klippen bis zu hundert Meter hoch. Immer wieder stießen wir auf Reliefs, Inschriften, und Betyle, das sind Statuen von Gottheiten, vermutlich der Hauptgottheiten Dušara und Al-Uzza. An einer Stelle konnte man Reliefs von überlebensgroßen Karawanenhändlern erahnen, die ebenso riesige Kamele führten und den*die Besucher*in in Richtung Petra geleiteten. Wie imposant dieser Prozessionsweg auf das antike Auge gewirkt haben muss, kann man sich wohl kaum vorstellen.





Und schließlich sind wir da: Das Schatzhaus grüßt erst durch die Spalten im Felsen vor uns durch, und schließlich erhebt es sich in seiner vollen Pracht. Es ist eines der neuen sieben Weltwunder, das wir vor uns haben.







Das Schatzhaus war in Wirklichkeit eines der vielen Festgräber, die in Petra errichtet wurden. Seinen Namen hat es von den Beduinen, die glaubten, in der Urne ganz oben an der Fassade sei der Schatz der Pharao versteckt. Aus diesem Grund schossen sie mit Maschinengewehren darauf, um an das erhoffte Gold zu kommen. Die Einschusslöcher sieht man heute noch – ein Schatz wurde natürlich nie gefunden – doch sie können die Pracht des Schatzhauses nicht trüben. Seine überdimensionale Größe lässt fragen, wie so etwas von Menschen der Antike gebaut werden konnte. (Die pragmatische Antwort unseres Guides: Von oben nach unten.)


Ein weiteres Highlight Petras sind die Königsgräber. 13 Gräber sind in die Felswand gehauen und werden aufgrund ihrer künstlerischen Qualität und Größe als Königsgräber gedeutet. Hier bleibt uns, neben den archäologisch und architektonisch Eindrücken, vor allem die tolle Akustik im Gedächtnis.



Nun heißt es: Selbstständig erkunden. Gemütlich spazieren wir durch das Stadtzentrum, bewundern noch einmal das einzigartige in Stein gehauene Amphitheater, klettern im großen Tempel herum, und erklimmen den Weg zum Löwentriklinium. Dann machen wir uns auf den Weg durch das Wadi Kharareeb, vorbei an unzähligen Beduinen, die ihre Waren anpreisen, hinzum Felsentempel Ad Deir, der auch „Kloster“ genannt wird, weil sich im Mittelalter Mönche darin niederließen. Ad Deir liegt, nicht wie das Schatzhaus versteckt in der Schlucht, hoch auf dem Berg. Die riesigen Ausmaße erklären, warum auch heute noch in der lokalen arabischen Bevölkerung die Legende umgeht, die Nabatäer*innen seien übermenschlich groß gewesen. Und der*die Betrachter*in kann vielleicht nachvollziehen, wie es Josua und Kaleb ergangen ist, als sie das Land Kanaan erkundet haben und aus Angst vor der lokalen Bevölkerung meinten, es seien Riesen, die dort lebten (Dtn 13).





Lange verweilen wir dort nicht, denn es gibt noch viel zu sehen und die Zeit drängt. Außerdem versprechen uns unzählige handgemalte Schilder abwechselnd „view“, „good view“, „best view“, „best view in the world“ und „the end of the world“.









So kraxeln wir hinauf auf einen Hügel und genießen hier noch die Aussicht, naschen ein paar Datteln und bewundern die farbenfrohen Steine.


(Blick auf das "Kloster")


Besonders schön ist es auch, wenn man dann am Rückweg bekannte Gesichter der KU-Family trifft – wie klein die Welt doch ist!




Tag 5

So gehen unsere Tage in Petra zu Ende und wir machen uns auf den Weg zurück nach Amman über die sogenannte „Königsstraße“.

Wer nun dachte, dass Jordanien mit Wüste gleichzusetzen sei, der hat sich getäuscht. Es ist schließlich Winter, und in den Wadis fließt Wasser, die Staudämme sind fast voll. Doch trotzdem trauen wir unseren Augen kaum, als jemand im Bus plötzlich ruft: „Schnee!“. Und tatsächlich, die Landschaft, die an uns vorbeizieht, ist nicht nur gut angezuckert, sondern ist von einer zentimeterdicken Schicht Schnee bedeckt. (Selbstverständlich dauert es bei der nächsten Toilettenpause nicht lange, bis die Schneebälle fliegen.)





So kann man sich in einem so fremden Land schnell einmal heimisch fühlen. Das dachten sich nicht nur wir, sondern zum Leidwesen der lokalen Bevölkerung des 12. Jahrhunderts auch die Kreuzfahrer, die sowohl in Shobak, als auch in Kerak, eine Burg bauten und von dort aus die Pilger*innen auf der Haj-Route nach Mekka schikanierten.





Es ist seltsam, in dieser schönen, aber doch so fremden Landschaft, eine ziemlich durchschnittliche mitteleuropäische Burg zu sehen. Bei genauerem Hinsehen und durch die fachkundige Anleitung eines unserer Professor*innen können natürlich auch wir die orientalischen Einflüsse in der Architektur erkennen. Doch trotzdem wirkt es so, als würden hier zwei Welten aufeinanderstoßen – und nicht nur die Welt der europäischen Kreuzfahrer und der muslimischen Bevölkerung, sondern auch die Welt des damals und des heute.



(Blick durch ein Fenster der Kreuzfahrerburg auf die moderne Stadt)


Zurück in Amman können wir dann den freien Abend genießen und machen erst einmal ein nettes Café ausfindig. Dort gibt’s Kaffee, Kuchen, und jede Menge nette Plauderei.






tag 6

Endlich ist es etwas wärmer, und es hat nun auch in Amman genug geregnet. So starten wir einen zweiten Anlauf auf die Zitadelle und bewundern in gleichen Maßen die Aussicht, die Ruinen, und die wunderbar erhaltene/restaurierte umayyadische Empfangshalle, die wirklich ein einzigartiges Bauwerk ihrer Art ist. (Spannenderweise wurde sie auf einer byzantinischen Kirche desselben Grundrisses gebaut – in Kreuzform!!!)





Da wir nicht genug von alten Steinen und Ruinen bekommen können, machen wir uns auf den Weg nach Gerasa/Jerash, einer der größten römischen Städte hier im Orient und Teil der Dekapolis. Von ihrer Bedeutung zeugt schon der Hadriansbogen, der 129/130 zu Ehren des Kaisers Hadrians erbaut wurde, als dieser zu Besuch war. Ursprünglich sollte dieser wohl das neue Stadttor werden, doch die Pläne wurden aufgrund wirtschaftlicher Probleme nie umgesetzt.


Wir erkunden die Stadt, samt zweier Amphitheater, Zeus- und Artemistempel, Nymphäum byzantinischer Kirchenbauten, und Bauten aus muslimischer Zeit.

Auch hier stoßen nicht nur in der Vergangenheit die Kulturen aufeinander bzw. lösen sich ab, auch in der Gegenwart kommt es zu teils schrägen oder zumindest ungewöhnlichen Mischungen: Im römischen Amphitheater der heute arabischen Stadt spielen drei ehemalige jordanische Militärmusiker auf Dudelsack und Trommel „Bruder Jakob“.









(Beim Hadriansbogen)


Abends sind wir nochmals beim Deutschen Evangelischen Institut für Altertumskunde (DEI) in Amman eingeladen, dieses Mal zum Gottesdienst. Danach gibt es noch Saft und Kuchen und wir nutzen die Chance, um mit den Gemeindemitgliedern zu plaudern, die als deutsche protestantische Christ*innen hier in Jordanien eine winzig kleine Minderheit darstellen.


Wieder im Hotel angekommen, lassen wir unsere Jordanienreise noch gemeinsam im Zimmer unserer Assistentinnen ausklingen: Mindestens zu vierzehnt quetschen wir uns in den winzigen Raum, es ist ein stetes Gehen und Kommen. Wir tauschen noch letzte Anekdoten und Fotos aus, genießen das freundliche Geplänkel über archäologische Fragen („I want to add something!“, „Das ist ein nabatäischer Tempel. Die Nabatäer nutzten ihn als Tempel.“), diskutieren gesellschaftliche Themen aus, und blödeln einfach nur ein bisschen rum – schließlich gehört auch das zu einer gelungen Exkursion dazu.





Liebe Studis, liebe Volos, es war einfach schön mit euch!





(Zurück auf dieser Seite des Jordans, samt Gastauftritt des Fingers unserer Dekanin :-) )



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