Versunkene Paläste, antike Synagogen, und sehr. viele. alte. Steine.
Eine ganz lange Klassenfahrt – so lässt sich das Theologische Studienjahr in einem Satz beschreiben, und dieser Satz trifft besonders auch auf unsere zweiwöchige Galiläa-Exkursion zu. Wir alle hatten uns schon seit Wochen vorbereitet – die einen auf die archäologischen Führungen, die sie an unterschiedlichen Ausgrabungen, Kirchen und Synagogen halten sollten, die anderen arbeiteten am Kochplan, denn es war Selbstversorgung angesagt, und die dritten werkelten an einem Theaterstück, welches die Kommiliton*innen in gleichem Maße amüsieren und weiterbilden sollte.
Mit dabei auf Exkursionen war neben unserer hochgeschätzten Studienleitung auch Dr. Markus Lau, unter uns mittlerweile berüchtigt für seinen ungetrübten Enthusiasmus für Putz (grau, weiß, bemalt, unbemalt, egal, Hauptsache alt). Er führte uns in die Welt des Neuen Testaments und konnte uns insbesondere für das Alltagsleben und die Realienkunde begeistern.
(Bibeldidaktik mal anders – mit Markus Lau wurden Inschriften, Graffiti und Münzbilder auf einmal lebendig.)
So bestens vorbereitet und gerüstet stiegen wir in Jerusalem in den Bus Richtung Caesarea Maritima, was in den Augen vieler von uns die ideale Ausgrabungsstätte war: Wunderbar erhaltene Mosaike, unterschiedlichste Einrichtungen des antiken öffentlichen Lebens, ein Palast, der im Meer versinkt, ein Theater, Aquaedukte, ein Kaiserkulttempel, und ein Badestrand. (Letzterer war nicht antik, löste aber unvergleichbar viel Freude aus.)
Nach einer Pita-, Bade-, und Muschelsammelpause ging es weiter nach Bet Shea’rim, wo uns düstere Gesellen erwarteten.
Löwen, Stierköpfe, Adler, menschliche Fratzen – die große Nekropolis von Bet Shea’rim wartete nur darauf, von uns entdeckt zu werden. Mit Gruselgeschichten, Taschenlampen und einer spannenden studentischen Führung ausgerüstet erkundeten wir die jahrhundertealten Höhlen und rätselten über die vielen leeren Gräber und wer wohl darin gelegen hatte.
Schnell hatte uns der Abend ereilt – eine Erfahrung, die wir in den nächsten zwei Wochen immer wieder machen würden, denn die Tage vergingen wie im Flug: Ausgrabungsstätten, Mittagspause (montags: Pita mit Hummus, dienstags: Hummus mit Pita, mittwochs: Pita mit Hummus), Wanderungen, Schwimmpausen und Busfahrten nahmen den Großteil unserer Tage ein. Und wer abends nicht sofort ins Bett fiel, konnte das wunderschöne Tabgha noch etwas genießen. Dort waren wir Gäste im deutschen Benediktinerkloster, das an dem Ort steht, der der Brotvermehrung gedenkt.
(Blick von Tabgha auf den See Genezareth)
Tag Zwei: Chorazim und Magdala. Zwei Orte, die uns viele Rätsel aufgeben: Wozu baut man Fenster mitten in einem Haus? Wozu ist dieser schräge Sockel in einer alten Synagoge da? Wo ist denn diese Rekonstruktionslinie? Und: Warum regnet es ausgerechnet heute?
(Chorazim)
Sepphoris. Wunderschöne Mosaike, Turmanlagen, und ein rekonstruiertes Theater. Welche Stadt könnte einen besseren Hintergrund bieten für unser lang geprobtes Theaterstück? Schon lange wollten wir neu aufarbeiten, was die Bibel von Simson und Delilah berichtet: Die Verkündigung des Engels an Simsons Mutter (kein Wein, kein Haareschneiden, kein Tiramisu), der Kampf Simsons mit dem Löwen (mitsamt obligatorischer Action-Szene), Delilahs Hinterhalt (inklusive Live-Rasur) und schließlich natürlich Simsons letzter Kraftakt, das Umstoßen der Säulen (mitsamt tränenreichem Abschlussmonolog einer ionischen Säule).
(Simson besiegt den Löwen)
(Eine Säule beklagt ihr trauriges Schicksal.)
Auf unser Theaterstück folgte ein weiteres Highlight: Die Wanderung auf den Arbel. Schon von weitem erblickten wir die Höhlen, in denen schon unzählige Kämpfen und Auseinandersetzungen ausgefochten wurden, wie schon Flavius Josephus berichtete.
Gerade das Erkunden der Höhlen war ein besonderes Erlebnis: Einerseits konnte man die Anstrengungen in Ansätzen nachvollziehen, die ein Leben hier mit sich brachte, andererseits fand man noch Alltagselemente, wie zum Beispiel Wasserspeicher – und außerdem war die Aussicht unschlagbar.
(Die Höhlen des Arbel)
(Blick auf den See Genezareth vom Arbel)
Oben angekommen besuchten wir noch eine Synagoge – wie viele wir in diesen zwei Wochen gesehen haben, kann ich nicht mehr sagen – es waren sicher ein knappes Dutzend. Kennt man einen Ausgrabungsort, kennt man alle? Nein, jeder bot etwas Neues: Sei es Dan, wo die Alttestamentler*innen sich über den Fundort der Tel Dan-Stele freuten, sei es Hazor – naja, zugegeben, das meiste, was man in Hazor gefunden hatte, ist nun im Israel Museum in Jerusalem – sei es Bethsaida, das zwar nicht das neutestamentliche Bethsaida ist, aber trotzdem interessante Funde vorzuweisen hatte (Mondgottstele!).
Besonders blieb und auch Bet She’an im Gedächtnis: Eine eindrucksvolle römische Stadt, die nun samt byzantinische Bauten in Trümmern liegt. Trotzdem lässt sich noch erahnen, wie spektakulär diese Stadt gewesen sein musste – samt Cardo, Theater, Markthallen, römischen Bädern, Kirchen, und – zum Amüsement der Studierenden – Latrinenanlagen.
(Ein stilles Örtchen oder sozialer Treffpunkt?)
Apropos Flavius Josephus – auch Gamla hielt uns in Atem, als wir den dramatischen Schilderungen des römisch-jüdischen Kriegs lauschten und diese vor Ort nachvollzogen.
(Gamla – das Kamel. Eigentlich ganz klar, wenn man auf diese Landschaft blickt!)
(Eine kleine Klettertour gegen Ende durfte auch nicht fehlen!)
Es gäbe noch unzählige Orte zu nennen und Impressionen zu teilen – die vielen Exkursionen lassen erst lebendig werden, was man in der Theorie lernt, und bieten eine Kulisse für die vielen Dramen der Geschichte. Doch ein ebenso wichtiger Bestandteil unserer Zeit in Galiläa war das gemeinsame Leben in Tabgha. Wenn abends noch Energie war, galt es Diskussionen zu führen, Essays zu schreiben, am See Genezareth zu spazieren, Andachten vorzubereiten, Chorproben durchzuführen, und gelegentlich auch einmal ordentlich zu feiern.
Ganz besonders schön war auch das Brotvermehrungsfest, das von der ansässigen arabischen Gemeinde in Tabgha zu dieser Zeit gefeiert wurde, und das wir mitgestalten durften – als Schola und als Lektor*innen. Die Liturgie wurde auf Arabisch, Englisch und Deutsch gefeiert, wobei eine große Verbundenheit spürbar wurde. Ein besonderer Moment war, als die großen Brotkörbe in einer Prozession nach vorne gebracht wurden, angeführt von einem kleinen Jungen, der, wie in Joh 6,1-15, das Brot zum Altar brachte.
(Nach der Feier wurde von den Pfadfindern Nazareths groß aufgespielt.)
Tabgha – ein Ort, der einem einfach im Herzen bleibt. Für die vielen schönen Stunden am See, die gute Gemeinschaft miteinander, die lustigen, die ernsteren Momente bin ich sehr dankbar. Galiläa wird mir in Erinnerung bleiben als eine Region mit wunderschönen, abwechslungsreichen Landschaften, einer bewegten Geschichte und einer noch immer bewegten und bewegenden Gegenwart, und als eine Zeit, die, so abwechslungsreich und anstrengend sie auch war, mir Ruhe geschenkt hat abseits der Großstadt Jerusalem.
Sehr Gut!!