Ein Abenteuer auf den Spuren der adventlichen Zeit.
(Tanne, Fichte, oder Palme? Also ich seh' keinen Unterschied!)
Woran erkennt man die beginnende Adventzeit in Jerusalem?
Es sind nicht die Weihnachtsdekorationen in den Schaufenstern, nicht die Lichter-Engerl an den Straßen, und nicht das allgegenwärtige „Last Christmas“, die uns daran erinnern, das jetzt eine besondere Zeit anbricht. Hier in Jerusalem könnte der Advent kommen, ohne dass man es merkt – in der mehrheitlich jüdisch-muslimischen Stadt ist nicht viel, das das nahende Fest ankündigt. Bloß der jetzt einsetzende Regen, der kühle Wind und die bemützten Köpfe markieren einen Wechsel der Jahreszeit.
Und doch – erste Vorboten lassen sich finden. Wer am Berg Zion aus dem Haus geht, sich vorher noch schnell einen Mantel überstreift und den Regenschirm in der Tasche verstaut und dann den Weg durch das Zionstor in die Altstadt hinein, in das armenische Viertel nimmt, der sollte bei der Jakobskirche haltmachen und den Pförtner nach dem Weg fragen. So denn es der richtige Tag ist, stehen die Chancen gut, dass er einen in den Innenhof des großen armenischen Komplexes schickt. Wer sich am Schild „private, no entrance“ vorbeitraut und in Richtung Museum läuft, der wird hoffentlich schnell von zwei netten Herren abgefangen, denn das ist die falsche Richtung: Zum Adventmarkt geht es hier entlang. Und so ist die erste Station erreicht: Ein überschaubarer kleiner Markt mit Kerzen, bedruckten Servietten und Plastikdeko. Die erste Priorität der Adventurers (Abenteurer*innnen) sollte es sein, eine kleine Stärkung zu finden. Ganz empfehlenswert hierfür ist das Kuchenbuffet, sofern es gerade nicht von acht armenisch-orthodoxen Mönchen belagert wird, die mit ihren langen, schwarzen Kutten, Spitzhüten, Kapuzen, und ihren langen dunklen Bärten einen fast amüsanten Kontrast zu dem blinkenden Weihnachtsschmuck und dem restlichen Klim-Bim darstellen. Hat man dann mit dem Konditor geplaudert, sich für einen Käsekuchen entschieden und diesen verzehrt, ist man bereit, weiterzuziehen.
(Suchbild Armenischer Adventbasar: Wer findet einen Mönch?)
Nun ist es empfehlenswert, einen Abstecher in die Stadtmitte zu machen, um dort den Adventbasar der Deutschen Evangelischen Gemeinde in der Erlöserkirche zu besuchen. Neben Orgelkonzert, Bläserduo und Glühwein sind hier auch viele kleine Stände, die Handarbeiten, Weihnachtskarten, oder kleine Krippen verkaufen.
(Adventmarkt im Kreuzgang der Erlöserkirche, palästinensische Stickereien)
(Wie man am besten weihnachtliche Gefühle heraufbeschwört? Mit Süßigkeiten von daheim - abgepackten Stollen, Lebkuchen, aber auch Haribo!)
Nun ist es Zeit, weiterzuziehen, denn es ist schließlich der Vorabend des ersten Advents. Also gilt es, sich den Weg aus der Altstadt zu bahnen. Im Paulushaus wird heute nämlich Vorabendmesse gefeiert und Studierende des Theologischen Studienjahrs Jerusalem musizieren dort, während einer der Mönche der Dormitio Abtei zelebriert. Der kleine Andachtsraum des Paulushauses platzt fast an den Nähten, man begrüßt freudig die anderen Gemeindemitglieder, denn man kennt sich von anderen Festlichkeiten und Messen. Beim Gottesdienst werden all die schönen Adventlieder gesungen, die man auch von zuhause kennt: Macht hoch die Tür, Oh Herr wenn du kommst, Es wird sein in den letzten Tagen,…
Genug adventliche Stimmung getankt (und sich bei der Agape mit Pizza gestärkt), machen sich die Adventurers nun auf den Heimweg zum Zionsberg. Dafür laufen sie durch das New Gate, durch das christliche Viertel, und sehen dort noch vereinzelte Lichterketten. Wer an der richtigen Abzweigung den rechten Weg nimmt, entdeckt sogar Santa’s House – sonst geschlossen, verkündet es nun mit offenen Toren und großen Buchstaben: „JESUS IS THE REASON FOR THE SEASON“.
(Bild entnommen von https://jerusalem-santa.business.site/ )
Wer diesem mysteriösen Ort widerstehen kann, ist bald wieder im armenischen Viertel, läuft zurück durchs Zionstor zur Dormitio Abtei. Wer weiß, vielleicht warten dort auch schon frischgebackene Kekse auf einen?
Denn die Kommiliton*innen waren fleißig! Sie haben das kalte, regnerische Wetter genützt und haben sich ans Basteln gemacht, Weihnachtskarten gemalt, Sterne gefaltet, einen Adventkranz geschmückt. Andere wiederum haben fleißig Teig gemacht, Kekse ausgestochen, gebacken und verziert.
So hält eine adventliche Atmosphäre im Beit Joseph Einzug, und die Studierenden des Theologischen Studienjahrs bereiten sich auf die kommenden Festtage vor – ob der Nikolaus auch zu uns kommt?
PS: Wer sich Sorgen macht, dass die religiöse Bedeutung des Advents bei uns zu kurz kommt, dem sei versichert, dass die Beschäftigung mit theologischen Inhalten bei uns fast ungemütlich präsent ist. So hat am 1. Adventsonntag der Münchner Neutestamentler Prof. Dr. Backhaus über die Parusieerwartung und die Apokalypse gepredigt und das dabei dramatisch bildlich ausgeschmückt: „Dann kommt Wasser die Treppen herab und der Strom fällt aus und geht nicht mehr an!“ – unwissend, dass nur vor wenigen Tagen das Wasser im Gang zur Krypta gestanden hatte und nichtsahnend, dass gleich der Strom in der Kirche ausfallen würde, und das vier Mal. Wir leben also in einer akuten Naherwartung der Parusie, akuter, als es uns vielleicht lieb wäre! ;)
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